Die Träume des Jonas K. (Teil 2)
„Was ist los mit dir?“ Der Teufel schaute Jonas irritiert an.
„Ich will da rein.“
„Wo rein?“
„Da rein, zu den Menschen.“
„So?“ Der Teufel sah durch die Scheibe.
„Ich sehe da nur ein alterndes Lehrerehepaar beim Abendessen. Was willst du da drin?“
„Das sieht gemütlich aus. Ich will da rein.“
„Wilde Orgien könntest du in deinen Träumen haben und du willst dir Gespräche über die letzte Zeugniskonferenz anhören?“
Jonas stand inzwischen am Fenster, legte seine Hände auf die Scheibe.
„Die haben Bilder aus der Toscana an der Wand. Das sieht nett aus, lass uns reingehen.“
Der Teufel sah sich zwei-, dreimal um, verdrehte dann die Augen.
„Also gut, also gut, gehen wir.“
Wenig später saßen sie am Tisch, gedeckt war nicht für den Teufel und Jonas, aber man hatte sie ja auch nicht erwartet. Insgesamt schien das Paar sie aber auch nicht zu bemerken. Jonas lauschte andächtig deren Konversation, welche sich auf das Austauschen alltäglicher Erlebnisse beschränkte. Der Teusinger hatte wieder den Unterricht so lange gestört bis er zum Direktor musste (die Beiden waren tatsächlich Lehrer), Beikirchner tritt demnächst wieder im Senftöpfchen auf, Mutters Hüfte macht Fortschritte, sie lässt schön grüssen (die Mutter).
„Wahnsinnig spannend, Jonas. Wenn das deine Träume sind, dann will ich nicht dein Leben sehen.“
„Psst, still. Das ist das, was ich denn ganzen Tag vermisse.“
„Berichte über Mutters Hüfte?“
„Geborgenheit. Sicherheit. Gewissheit. Gewissheit das nicht nächstes Jahr alles komplett anders ist.“
„Langweilige Tristesse.“
„Ist Einsamkeit nicht weitaus langweiliger? Langeweile ist ein Preis den ich nur allzu gerne zahlen würde.“
Der Teufel stand auf, sah sich um, inspizierte das Bücherregal.
„Ich hoffe du musst morgen früh raus, Jonas. Rilke… oh Mann was für ein Krampf!“
„Das ist nicht gerade höflich.“
„Das wird auch nicht unbedingt von mir erwartet. Genieße du weiter deine Sozialstudien, ich versuche diesen Traum irgendwie rumzukriegen.“
Jonas lauschte, beobachtete, verschmolz mit seiner Umgebung.
„Wenn ich die Augen schließe, vielleicht kann ich mich auflösen, eins werden mit diesen Leuten.“
„Bist du nicht katholisch?“
„Ja.“
„Falsche Religion. Du meinst wohl das Nirwana. Das haben die Buddhisten schon für sich reserviert.“
„Was soll das heißen?“
„Gestaltlosigkeit. Die Auflösung des Seins.“
Der Teufel trat zum Bücherregal und nahm ein Lehrbuch über fernöstliche Religionen heraus.
„Das darf natürlich in keinem Pädagogenhaushalt fehlen. Während des Studiums haben sie noch die Besitzlosigkeit propagiert, nach dem Schock des Berufseinstiegs die Gestaltlosigkeit. Das Leben wird irgendwann so unerträglich das man den Fernseher am liebsten abstellen möchte. Und dann merkt man das man keine Fernsteuerung in der Hand hält. Aber was steht denn hier, mal sehen….Nirwana ist die Bezeichnung für das buddhistische Heilsziel, den Austritt aus Samsara, dem Kreislauf des Leidens, durch Erleuchtung. Nirvana ist für Buddhisten, die von der Wiedergeburt ausgehen, auch die Befreiung von der selben. Das Wort bedeutet »Erlöschen« (wörtlich "Ver-wehen") und meint das Auslöschen aller an die Vorstellung vom Dasein bindenden Faktoren (Ich-Sucht, Gier, Anhaften usw.) - Verwandte Begriffe im Buddhismus sind "Leerheit" (Skrt: Shunyata) sowie "Soheit" (Tathata).“
„Ich bin mir noch nicht einmal sicher wie mein Selbst aussehen soll. Was soll ich da auflösen. Das ist mir alles zu hoch.“
„Genau das meine ich. Man bleibt bei dem was man hat.“
„Wie sähe meine Alternative aus?“
„Römisch- Katholisch, mal sehen, ach ja, Leben nach dem Tod, in den Himmel kommen und was da alles dazugehört.“
„Wie soll das aussehen?“
Der Teufel grinste: „Das werde ich dir gerade auf die Nase binden. Netter Versuch.“
„Es wird doch irgendeinen Ausweg geben.“
Der Teufel stellte das Buch zurück ins Regal.
„Hmmm, jetzt wird es doch noch interessant. Da hat sich das lange Aufbleiben doch noch gelohnt.“
Er ging auf und ab, kratzte sich am Kinn, grinste genüsslich und sah Jonas dann mit funkelnden Augen an.
„Wenn du mir Deine Seele verkaufst löschen wir die ganze Festplatte und spielen ein komplett neues Programm auf. Die ganzen Erinnerungen, die dich weich gemacht haben, kommen weg, gleichzeitig bekommst du Erfahrungen die dich vor Selbstbewusstsein nur so stinken lassen.“
„Das hatten wir bis jetzt noch im jeden Traum. Und ich hab dir jedes Mal gesagt das das nicht läuft. Was willst du überhaupt mit der ollen Seele?“
„Ist ja wohl meine Sache. Wenn du es wissen willst, lies halt ein Buch. Allgemeinbildung geht in der heutigen Zeit wirklich immer mehr verloren.“
„Jedenfalls läuft das nicht.“
„Oh Mann. Es ist vier Uhr morgens. Ich verschwende nur meine Zeit mit dir. Ich weiß wirklich nicht warum ich meine Nächte mit dir verplempere.“
„Ich hab dich nicht hergebeten. Mir wären die erotischen Träume mit meiner Englischlehrerin aus der Mittelstufe auch lieber.“
Der Teufel hielt inne. Irgendwas schien in ihm vorzugehen. Er schien nervös zu werden, was Jonas aber kaum glauben konnte. Dieser Kerl doch nicht.
„Jonas, wie wäre es mit einem kleinen Spiel? Wir wollen noch ein bisschen Spaß haben, dieser ganze Ausflug war doch ein bisschen zäh.“
„Ein Spiel, hmm, ok, warum nicht. An was denkst du?“
„Alle Religionen dieser Welt glauben an so was wie eine Wiedergeburt. Das kann im Diesseits oder Jenseits sein. Im Grunde kann uns deine Religion in diesem Moment also ziemlich egal sein.“
„Können wir das Thema Religion jetzt mal verlassen. Ich habe den Eindruck das wir beide von dem Thema keine Ahnung haben.“
„Na, na. Nur ein Spiel. Den Gefallen kannst du mir nicht ausschlagen.“
„Also gut, was spielen wir?“
„Spiel ist vielleicht der falsche Ausdruck. Experiment trifft es besser.“
„Experiment?“
„Nichts gefährliches. Alles ganz unschuldig. Wir stellen uns die Frage was wohl in einem neuen Leben passieren mag. Wir spekulieren was wohl besser werden könnte. Wir wünschen uns das was wir von unseren jetzigen Leben erwarten, uns aber nicht eingestehen wollen. Wir wärs?“
„Spielst du mit.“
Der Teufel winkte ab: „Ich, nein, ich bin ganz zufrieden. Abwechslungsreicher Job, viel Kontakt zu Menschen, nur die Arbeitszeiten könnten besser sein, aber man kann nicht alles haben.“
„Ich war eigentlich auch ganz zufrieden mit meinen Leben. Es war nicht immer alles schlecht.“
„Was ist passiert?“
„Keine Ahnung. Das Erwachsenwerden war irgendwie ein Schock. Aber beim Gedanken an die Kindheit wird mir immer warm im Bauch. Ich brauche kein neues Leben, ich will nur mein altes zurück.“
„Also schön. Dann halt so.“
„Was muss ich tun.“
„Schließe die Augen und versuche zurückzugehen.“
„Und dann?“
„Keine Ahnung. Das ist ja gerade der Reiz.“
„Also Augen zu?“
„Ja.“
„Und du?“
„Ich komm dann später dazu.“
„Versprochen?“
„Ja, ja, los jetzt.“
Jonas schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Also zurück in die Kindheit. Was war besonders schön? Was war sorglos, sicher und dennoch spannend. Jonas kniff die Augenlider zusammen. Ihn umgab jetzt absolute Dunkelheit. Er schritt durch die Dunkelheit und nach einer Weile sah er ein kleines Licht, das immer größer wurde. Jonas stockte kurz; man hörte ja immer von diesen Geschichten von diesen Sonderlingen, die ein Nahtodeserlebnis hatten und danach ihr Leben danach komplett umgeschmissen hatten.
„Na ja, wieso eigentlich nicht?“ sagte Jonas und ging weiter.
Als Jonas das Licht erreichte war er tatsächlich an einem Ort der Ihm in angenehmer Erinnerung geblieben war: Der Sommer 1987.
Keine Ahnung warum 1987 was Besonderes war. Es gab keine Fußball Weltmeisterschaft, keine olympischen Spiele, keine Wahlen und keine großen Katastrophen, zumindest keine an die sich Jonas erinnern konnte. Ein ereignisloses Jahr. Aber vielleicht deswegen so schön.
Ein Freibad. Mitten im August. Mindestens 30 Grad. Jonas hatte sich nicht eingekremt, er würde abends einen furchtbaren Sonnenbrand haben. Aber das war egal. Es war so vieles egal und das war wunderbar. Jonas und seine Freunde lagen auf der Wiese des Freibades und tauschten Fußballbilder. Ein Matthäus brachte schon viel, der war mindestens 3 Jacobs und 2 Nachtweihs wert. Jonas feilschte um Asegir Sigurvinson, der fehlte noch beim VfB Stuttgart.
„Ich hab hier Zewe, Alievi und Raducanu.“
„Der Zewe ist in jeder Tüte drin, den kannst du behalten.“
„Dann halt nur die zwei.“
„Nix, lass was sehen.“
Jonas blätterte nervös in seinen Doppelten. Er musste den haben, den einen nur, dann war Stuttgart komplett.
„OK, das Wappen von Mannheim.“
„Die Wappen hab ich alle.“
Verdammt. Die Wappen waren seine Trümpfe, die klebten sich viele auch aufs Matheheft. Sein Gegenüber, Zöck genannt, war jedoch knallharter Geschäftsmann.
„Ok, Hässler.“
„Kenn ich nicht, gibt’s auch gar nicht. Hey, verarsch mich nicht.“
„Natürlich gibt’s den.“
„Quatsch!“
„Doch, bei Köln.“
Zöck blätterte sein Heft durch: „Hmm, Tatsache. Mittelfeld. Der ist neu, son Bankdrücker. OK, Sigurvinson, hier.“
Glück gehabt, der VFB war jetzt komplett.
Jetzt kam das Beste, das Einkleben. Das Klebebild musste genau in das dafür vorgesehene Feld eingeklebt werden, die Größe des Feldes entsprach genau der des Bildes. Kleinen Kindern was das egal, die klebten ihre Bilder auch quer in das Feld, der echte Profi jedoch wollte Perfektion. Sobald das Bild auch nur eine Winzigkeit aus dem Feld herauslugte war der Tauscherfolg für die Katz, da war das ganze Heft verschandelte.
Jonas legte seine Zunge auf die Oberlippe und passte das Bild an. Die unteren Ecken des Bildes in die unteren Ecken des Feldes. Und jetzt langsam, ganz langsam. Das Bild stramm halten, damit keine Falte entsteht, das wäre das schlimmste. Und jetzt langsam, es war fast geschafft. Jonas rollte die oberen Ecke aus, sie passten genau in die Ecken des Feldes. Perfekt. Ein perfektes Einkleben, ein perfekter Tag.
Jonas schob das Heft zurück in die Klarsichtfolie und steckte es in seinen Rucksack.
„Und jetzt?“ Zöck war noch sichtlich angefressen, dass er Thomas Hässler nicht kannte.
„Keine Ahnung. Frisbee?“
„Zu heiß.“
„Dann wieder zum Becken.“
„OK!“
Man machte sich zurück zum Schwimmbecken, aber wenn man in der vierten Klasse war und dabei auch noch männlichen Geschlechts, da ging man nicht einfach schwimmen, sondern man sprang. Vom Einer. Immer und immer wieder.
Jonas und seine Freunde probierten sich in den waghalsigsten Kunststücken, Salto, Scherensprung, Arschbombe (besonders diejenigen die in diesem zarten Alter schon mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatten).
Jonas war nicht wirklich der athletischste Typ, auch nicht zu dieser Zeit. Das war aber auch egal. Abspringen, komische Verrenkungen machen, eintauchen, wieder raus aus dem Becken, alles von vorne, mehr brauchte es nicht. Ein Köpper wäre unmöglich, aber das konnte Jonas bis dahin erfolgreich verbergen. Stattdessen merkwürdige Interpretationen eines Klappmessers, halbe Saltos, gehockte Sprünge auf den Rücken gelandet. Aber das war alles in Ordnung. Es war die Zeit vor dem wahren Leben.
Nach etwa zehn Sprüngen setzte sich Jonas auf den Beckenrand und beobachtete die Anderen. Desto mehr das Wasser spritzte, desto besser, desto größer das Gejohle. Die Sonne schien, Jonas kniff die Augen zu, genoss den Geruch des Chlors, das Wasser, das ihm seine Kameraden mit ihren Sprüngen ins Gesicht spritzen. Andächtig betrachtete er seine verschrumpelten Finger, fragte sich wie dieses Phänomen zu erklären sei, fand keine Antwort, was ihn aber auch nicht wirklich störte. Es war einfach nicht wichtig.
„Wie siehts aus mit der Wette?“
Zöck saß auf einmal neben Jonas und grinste Ihn hämisch an.
„Wette?“
„Du weißt genau was ich meine? Gestern? Sportunterricht?“
Oh nein. Verdammt. Einmal ein großes Maul riskiert und jetzt mitten im Schlamassel. Jonas hatte geprahlt. Er hatte behauptet, dass er es tun würde. Ausgerechnet er. Der nie zum Helden berufen war. Eine Tat, die ein 11 Jähriger nie wagen würde. Noch nicht einmal Zöck. Noch nicht einmal einer von denen die begnadete Jugendfußballer waren und deswegen so was wie die Alphatiere. Jonas hatte sich als Hasardeur aufgeführt, indem er sagte er würde es tun.
Den Sprung vom Fünfer.
Dieser stand da wie ein Monolith. Umringt von den kleineren Sprungbrettern stand er da, stolz, unantastbar. Das lag daran das sich zum einen niemand traute ihn zu besteigen und schon gar nicht herunter zu springen. Auf der anderen Seite war er eigentlich auch immer gesperrt, deswegen wog sich Jonas auch in Sicherheit als er zu seiner Prahlerei ansetzte.
Irgendein offensichtlich dem Wahnsinn verfallene Bademeister hatte die Sperre aufgehoben, nun starrten die versammelten Halbwüchsigen den Monolithen voll Angst und Neugier an. Keiner traute sich, trotzdem wollte man sehen was passiert wenn sich tatsächlich jemand diesen Berg herunterstürzt. Jonas sah sich um; sein gesamter Freundeskreis hatte sich inzwischen um ihn gescharrt und grinste Ihn an.
„Na, wie siehts aus?“
Das Grinsen der Freunde verzog sich zu Furcht einflössenden Fratzen. Jonas hatte nun die Wahl: Körperliche Unversehrtheit oder ein makelloser Ruf. Er wählte natürlich das Letztere, körperliche Schäden könnten ja vielleicht nach einer gewissen Zeit wieder behoben werden.
Er ging zum Sprungturm, beobachtet von der Versammlung der Vorpubertären. In ihm hämmerte die Frage: „Bist du verrückt, tust du das hier gerade wirklich?“
Keine guten Ratschläge des Sommerferienprogramms konnten hier helfen, kein Glauben in die eigenen Fähigkeiten, kein Ausbrechen aus den Erwartungen der Anderen. Jonas hatte einfach nur Angst. Und nur die größere Angst des sozialen Niedergangs ließ ihn die nur unwesentlich geringere Angst vor diesem Ungetüm, das im guten Glauben an eine sportliche Jugend errichtet und jetzt zur Marterung dieser beitrug, ertragen.
Die erste Treppe. Das ging noch, alles klar, die Gaffer positionierten sich um den Turm
Zweite Treppe. Die Höhenangst setzte langsam ein. Die Schritte wurden langsamer. Die Gaffer waren natürlich noch immer da, er musste also weiter.
Dritte Treppe. Jonas wurde langsam bewusst das er etwas total bescheuertes tat. Weil gefährlich. Eigentlich unnötig gefährlich. Aber das war schließlich Auslegungssache. Die Höhenangst wurde schlimmer. Einfach nach oben schauen, einen fixen Punkt suchen.
Vierte und letzte Treppe. Parallelwelt. Irgendwie war es hier oben kälter. Höhenangst auf Stufe 10. Gehen ging nicht mehr, also Kriechen. „Die Anderen lachen gerade, die lachen alle!“ Er konnte sie nicht hören, aber er wusste, dass sie da waren und das er sie köstlich unterhielt. Wenn er jetzt umgekehrt wäre, wäre er tot, für immer. Also weiter. Noch 4 Stufen, 3, 2, 1, auf dem Gipfel. Eigentlich schon ein kleiner Erfolg, aber das Schlimmste kommt erst noch. Er lag auf der Sprungfläche. In luftiger Höhe und doch am Boden.
Er klebte am Teer. Wie sollte er jetzt hoch kommen? Oder zum Absprung kriechen? Nein, das würde der ganzen Aktion jegliches heldenhafte Potential rauben. Jonas tastete sich zur Absperrung und hangelte sich hoch. Er konnte jetzt seine Kameraden hören wie sie johlten und lachten. Jonas sah hinunter, was ein Fehler war, denn die Tiefe schien ihn anzuziehen. Er zuckte zusammen, klammerte sich noch fester an die Metallabsperrung. Nichts wie runter hier. Schritt für Schritt näher auf den Absprung zu. Jeder Schritt minutenlang. Die letzten Schritte ohne Absperrung. Jonas ging wie auf Eiern.
OK, das wars dann wohl. Jonas stand am Abgrund. Bloß nicht runter sehen. Jonas war jetzt der einsamste Mensch der Welt. Jetzt herunter springen mit Köpper? Auf ganzer Linie gewinnen? Kein Gedanke daran. Irgendwie die Sache zu Ende bringen.
„Im Sprung ist das Schlimmste vorbei“, dachte sich Jonas. Also auf Drei.
Und Jonas sprang. Und flog. Und fiel ins scheinbar bodenlose.
Wasser kann hart wie Beton sein wenn man aus großer Höhe darauf landet. Besonders wenn man mit bestimmten Körperteilen darauf landet. Und genau mit diesen bestimmten Körperteilen landete Jonas auf dem Wasser. Jonas tauchte nach einer halben Ewigkeit mit einem lauten Schrei auf. Ging gelegentlich unter. Wusste nicht ob er gegen das Ertrinken oder diese wahnsinnigen Schmerzen, die sein Unterleib ausstrahlte ankämpfen sollte. Nach einer Weile zerrten stark behaarte Männerarme an ihm, die ihn schließlich aus dem Wasser zogen. Schreien und Kreischen begleiteten ihn während zwei Bademeister ihn in die DLRG-Station trugen. Jonas schlug die Augen auf und fand sich auf dem PVC-Boden wieder. Immer noch wahnsinnige Schmerzen.
„Welcher Tag ist heute?“, schrie ihn einer der Bademeister an.
Jonas übergab sich zur Antwort.
„Hast du Schmerzen?“
Jonas nickte.
„Wo?“
Jonas deutete auf seine Badehose.
Die Bademeister schauten sich an.
„Könnte was schlimmeres sein.“
„Los, Hose runter.“
Und so geschah es.
„Kann es was peinlicheres geben als das?“, fragte sich Jonas während die Bademeister seine Testikel auf gefährliche Verletzungen überprüften.
Ja, konnte es.
„Jonas hat Haare am Sack!“
Seine Freunde hatten ihn zum Bademeisterraum begeleitet, das fiel im erst jetzt auf. Hämisches Lachen ertönte, das immer hysterischer wurde. Es sollte ein Geheimnis bleiben, Jonas war etwas frühreif und wollte sich die Illusion bewahren noch ein Kind zu sein. Das hatte sich in diesem Moment wohl erledigt.
„Das Gute am menschlichen Bewusstsein ist, das es die schlechten Dinge vergisst und die guten Dinge zu bewahren versucht“, sagte Jonas zu sich während er zur Decke blickte.
Seine Freunde verließen kreischend den Raum, die Bademeister waren auch auf einmal weg. Ein kalter Wind wehte durch den Raum, vertrocknete Blätter flogen Jonas ins Gesicht. Da lag er nun, allein, frierend, mit herunter gelassenen Hosen.
„Ach, du Scheisse!“
Jonas schreckte hoch. In der Türe stand der Teufel, in Speedo Hose, Adiletten, Ray Ban, Goldkettchen.
„Sehr stylisch!“, dachte sich Jonas.
Der Teufel starrte ungläubig, fast irritiert auf Jonas leicht behaarte Geschlechtsorgane.
Jonas zog die Hose hoch, setzte sich auf und stützte sein Kinn auf seine Knie. Was für eine Enttäuschung!
„Na ja, nicht wirklich was wir uns erhofft haben“ sagte der Teufel und kratzte sich am Kinn. „Aber der Versuch wars wert.“
Jonas schreckte Schweiß gebadet hoch. Nur ein Traum, nur ein Traum. Er blickte zur Uhr. 5.30. In einer Stunde musste er aufstehen. Weiterschlafen hatte sich jetzt irgendwie erledigt.
„Also wirklich!“